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Verkehrsunfall mit Radfahrern

Inhaltsverzeichnis

Schwer Verletzter – Auto erfasst Radfahrer. Solche Schlagzeilen kommen fast täglich in den Nachrichten vor. Radfahrer gehören zu den am stärksten gefährdeten Verkehrsteilnehmern. Allein im Jahr 2018 ereigneten sich 88.472 Unfälle mit Personenschaden, bei denen ein Radfahrer beteiligt war. Dabei sind 445 Menschen tödlich verunglückt. Jeder fünfte Verletzte war ein Radfahrer. Was sind die Ursachen für den zunehmenden Anstieg und welche rechtlichen Schritte folgen, wenn es zu einem Unfall gekommen ist?

Ursachen für Fahrradunfälle

Fahrradunfälle innerorts

Das Fahrrad hat sich in den letzten Jahren vorallem innerorts immer mehr als Verkehrsmittel etabliert. 90 % aller Fahrradunfälle ereignen sich innerorts, während es nur 10 % auf Landstraßen sind. Autos und Fahrräder müssen sich den knappen Verkehrsraum teilen. In vielen Städten wurden daraufhin auf Hauptstraßen sog. Fahrradstraßen integriert, die sich oft in der Mitte der Straße befinden. Doch sorgt das für eine größere Sicherheit im Straßenverkehr? Viele Radfahrer fühlen sich auf dicht befahren Straßen zwischen den Autos unsicher und weichen an den Rand der Straße aus. Bei den dort parkenden Autos passiert es nicht selten, dass Autotüren plötzlich geöffnet werden und es häufig zur Kollision mit Fahrradfahrern kommt. Hinzu kommt, dass auf vielen Straßen der Radweg plötzlich aufhört, sodass Fahrradfahrer ihre Strecke anpassen müssen und an den Straßenrand oder sogar Bürgersteig ausweichen. Durch den vielen Wechsel kommt es schnell zur Unachtsamkeit und es entsteht ein hohes Unfallrisiko.

Anstieg an Elektrofahrrädern

Insbesondere Fahrräder mit elektrischem Antrieb sind in den letzten Jahren besonders populär geworden. Von 2014 bis 2018 stieg die Zahl von 1,6 Millionen auf 4,5 Millionen Modelle. Mit ihrer Beliebtheit stiegen wiederum die Unfallzahlen. Besonders auffällig ist, dass 30 % aller Unfälle mit Personenschaden keinen Unfallgegner gehabt haben. Die Quote der Alleinunfälle bei Elektrofahrrädern ist somit höher als die der nichtmotorisierten Fahrräder.

Kinder verunglückten häufiger

Kinder unter 15 Jahren sind besonders häufig in Fahrradunfälle verwickelt (61 %). Oft können sie komplexe Verkehrssituationen und Gefahren noch nicht einschätzen. Das Fahrrad ist für sie meist das erste Verkehrsmittel, mit dem sie häufig alleine unterwegs sind.

Typische Unfallkonstellationen

Fahrrad- und Autofahrer 

Das Überfahren einer roten Ampel, Fahren auf der falschen Straßenseite, rechts abbiegen ohne Schulterblick – das alles können typische, verkehrswidrige Verhaltensweisen von Radfahrern im Straßenverkehr sein. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Theoriefragen aus der Fahrschule, ob Sie als Autofahrer damit rechnen müssen, dass der Junge auf dem Fahrrad vor Ihnen aufmerksam über die Schulter gucken wird und seinen Arm ausstreckt, bevor er die Straßenseite wechselt? Oder ob Sie davon ausgehen können, dass er keine Schlangenlinien fährt? Nein. Grundsätzlich trifft den Autofahrer immer die erhöhte Sorgfaltspflicht. Das ist selbst dann der Fall, wenn der Radfahrer entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung gefahren ist. „Es muss davon ausgegangen werden, dass der Radweg vorschriftswidrig in falscher Richtung befahren wird“ – wie das OLG Hamm 1996 in seinem Urteil formulierte. Allerdings kann es in solchen Fällen zu einer Haftungsteilung kommen, da es sich um ein Mitverschulden des Radfahrers handelt.

Der tote Winkel

Nicht ohne Grund werden insbesondere LKWs, Busse und Pkws immer mehr mit elektronischen Abbiegeassistenten ausgerüstet, damit Fußgänger und Fahrradfahrer schon frühzeitig auf der Straße erkannt werden. Wenn Radfahrer von Fahrzeugen nicht wahrgenommen werden, befinden sie sich meistens im toten Winkel. Das ist der Bereich, der trotz technischer Hilfsmittel (Spiegel oder Videokameras) ohne Schulterblick von dem Fahrer nicht eingesehen werden kann. Kann der Bereich selbst durch Schulterblick nicht erfasst werden, endet das für den Radfahrer, der sich in dem Bereich befindet, in vielen Fällen tödlich. In solchen Situationen ist der tödliche Unfall nicht vorhersehbar gewesen und kann dem jeweiligen Fahrer nicht vorgeworfen werden. Ein Freispruch oder eine Verurteilung kann also sehr einzelfallabhängig sein.

Sie wurden in einen Unfall verwickelt – wie geht es weiter?

Fahrerflucht – unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Statt dem sterbenden Radfahrer zu helfen, schleppt der Unfallfahrer mit einem Bekannten seinen beschädigten Citroen ab. Der 19-jährige Radfahrer stirbt noch am Unfallort. So geschah es im September 2019 auf einer Landstraße in Aachen. Ereignet sich ein Unfall, spielen sich im Kopf des Verursachers zwei mögliche Szenarien ab: Anhalten und sich den drohenden Konsequenzen stellen oder panisch vom Unfallort flüchten und möglichen Folgen des Verkehrsrechts aus dem Weg gehen. So wie es in Aachen geschah, geschieht es immer wieder. Den Meisten ist „Fahrerflucht“ zwar ein Begriff, trotzdem passiert es nicht selten, dass sich die Betroffenen für die Flucht entscheiden. Doch sind Ihnen die Folgen bewusst?
Betreibt der Unfallfahrer Fahrerflucht, kann gem. § 142 StGB eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren folgen. Handelt es sich dabei um einen Personenschaden, ist die Strafe automatisch höher. Allerdings können keine Anträge gestellt werden, wenn die Angaben über den Unfallgegner fehlen, weil sie nicht aufgenommen werden konnten. Um so wichtiger ist es, das Nummernschild schon vor Eintreffen der Polizei zu notieren.

Welche Ansprüche bestehen nach meinem Fahrradunfall?

Grundsätzlich ist zwischen einem Anspruch auf Schmerzensgeld und einem Anspruch auf Schadensersatz zu unterscheiden. Liegt ein Personenschaden vor, besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt dabei vom Grad der Verletzung ab. Das ist sehr einzelfallabhängig. Kriterien sind zB die Dauer und Art der Behandlung, mögliche Langzeitschäden sowie das Alter. Außerdem müssen Verletzungen oder Behandlungen von gewisser Intensität und Dauer sein. Kleine Schürfwunden, blaue Flecke oder Prellungen reichen nicht aus. Wird allerdings nur das Fahrrad oder andere Gegenstände wie zB die Kleidung beschädigt, handelt es sich um eine Sachbeschädigung und der Betroffene hat einen Anspruch auf Schadensersatz. Grundsätzlich unterliegen Fahrradunfälle jedoch einer Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB). Danach können keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden.

Wann trifft mich eine Mitschuld?

Die meisten Fahrradfahrer sieht man auf den Straßen ohne Helm. Eine allgemeine Helmpflicht gibt es in Deutschland nicht, sodass den Betroffenen durch Fahren ohne Helm keine Mitschuld trifft. Der Schmerzensgeldanspruch wird nicht gekürzt. Anders sieht es aus, wenn Radfahrer auf der falschen Straßenseite fahren. Kommt es zu einer Kollision mit einem Fahrradfahrer, weil er auf der falschen Straßenseite fährt (sog. Geisterfahrer), kann es zu einer Haftungsverteilung kommen. Es besteht die Möglichkeit, dass er eine Teilschuld zugerechnet bekommt. Grundsätzlich gelten aber auch hier die Regeln der allgemeinen Sorgfaltspflicht des Autofahrers, welche mit Fahrradfahrern aus der entgegengesetzten Richtung rechnen müssen.

Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss

Verstoß Folgen
Radfahren mit 1,6 ‰ oder mehr 3 Punkte, Geldstrafe und Anordnung einer MPU
Auffälliges Radfahren mit 0,3 ‰ oder mehr Strafanzeige

Fahraduntauglichkeit

Ab 0,3 ‰ Relative Fahruntüchtigkeit
Ab 0,5 ‰ Ordnungswidrigkeit (§ 24a StVG)
Ab 1,1 ‰ Absolute Fahruntauglichkeit
Ab 1,6 ‰ Absolute Fahruntauglichkeit (Fahrrad)

Es wurde wieder einmal spät, das ein oder andere Bier war vielleicht eins zu viel. Beim Verlassen der Kneipe fällt Ihnen auf, dass sie glücklicherweise nicht mit dem Auto gekommen sind, sondern Ihr Fahrrad mitgenommen haben. Vielleicht beschließen Sie, dass Ihr Alkoholeinfluss keine Probleme bereiten wird, denn das Fahrrad ist ja sowieso langsamer, sodass Sie gar nicht in die Situation kommen können, einen vergleichbaren Schaden wie mit dem Pkw anzurichten. Das ist leider falsch gedacht. Auch beim Fahrradfahren besteht die Möglichkeit, andere Verkehrsteilnehmer zu verletzen, sodass es nicht ohne Grund eine bestimmte Promillegrenze gibt. Die Promillegrenze beim Fahrradfahren liegt bei 0,3 Promille (relative Fahruntüchtigkeit). Bei auffälligem Fahrverhalten (zB Schlangenlinien) können bereits ab diesem Promillewert Strafen drohen. Die absolute Fahruntüchtigkeit liegt bei 1,6 Promille. Ab dem Wert ist davon auszugehen, dass Fahrradfahrer definitiv nicht mehr in der Lage sind, sich im Straßenverkehr zu bewegen und dieses Verhalten strafbar ist.

Promillegrenze in der Probezeit

Wer erst den Führerschein erworben hat, muss zwar eine strikte 0,0 Promillegrenze einhalten. Diese Grenze gilt in Deutschland allerdings nicht für Radfahrern in der Probezeit.

Konsequenzen beim Überschreiten der Promillegrenze

Verhalten sich Radfahrer durch extremes Hin- und Herschwanken, oä besonders auffällig und kommt es dadurch zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, dürfen Polizisten sie anhalten und den Alkoholspiegel kontrollieren. Wird ein Wert von mindestes 0,3 Promille festgestellt, kann es zu einer Strafanzeige, zwei Punkten und einer Geldstrafe kommen. Über die Höhe der Geldstrafe entscheidet das Gericht. Werden Fahrradfahrer von der Polizei kontrolliert und ein Promillewert von mindestens 1,6 Promille festgestellt, wird eine Strafanzeige gestellt. Außerdem werden drei Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen und er oder sie muss eine Geldstrafe bezahlen. In den meisten Fällen wird außerdem eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet, die innerhalb einer bestimmten Zeit absolviert werden muss, um die Fahrerlaubnis zu behalten. Selbst das Fahren von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wie Fahrräder kann ohne MPU untersagt werden – so entschied das Bundesverwaltungsgericht am 29.02.2012.

Keine Konsequenzen trotz Alkoholeinfluss

Sollte der Betroffene bei einem hohen Pegel, der aber unter der 1,6 Promillegrenze liegt, in der Lage sein, gefahrlos mit dem Fahrrad zu fahren, drohen in der Regel keine Strafen.

Häufige Fragen zum Thema Verkehrsunfall mit Fahrrad (FAQ)

Die Bedeutung des Fahrrads als Verkehrsmittel nimmt in deutschen Städten zu. Auch wenn Fahrradwege und -Straßen ausgebaut werden, bestimmt der Autoverkehr die Straßen – das Unfallrisiko steigt.

Besonders gefährlich für Radfahrer ist der tote Winkel. Durch verkehrswidrige, unkontrollierte Fahrweisen von Radfahrern kommt es ebenso zu unfallträchtigen Kollisionen mit Autos.

Fahrerflucht ist strafbar und kann bis zu 3 Jahren Haft führen. Etwaige Anträge sind jedoch zwecklos, wenn die Daten des Unfallgegners nicht aufgenommen wurden. Aus diesem Grund sollte – wenn möglich – das Nummernschild direkt notiert werden.

Erleiden Sie einen Personenschaden, stehen Ihnen Ansprüche auf Schmerzensgeld zu. Bei einer reinen Sachbeschädigung haben Sie einen Anspruch auf Schadensersatz.

In Deutschland besteht keine Pflicht zum Tragen eines Fahrradhelmes, sodass Sie keine Mitschuld trifft, wenn Sie ohne Helm gefahren sind. Fahren Sie auf der falschen Straßenseite, besteht die Möglichkeit, dass Ihnen eine Teilschuld zugerechnet wird.

Wird die 0,3 ‰-Grenze überschritten, liegt eine relative Fahruntüchtigkeit vor. Bei einem auffälligen Fahrverhalten können hierbei bereits Strafen drohen. Ab 1,6 ‰ sind Sie absolut fahruntüchtig; es folgt eine Strafanzeige, Punkte in Flensburg, eine Geldstrafe sowie die Anordnung einer MPU.

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